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Kann man Papier nur 7-mal falten?

Es wird gerne behauptet, man könne ein beliebiges Stück Papier höchstens 7-mal falten (manche Quellen nennen vorsorglich lieber 8 als das Limit). Aber stimmt das überhaupt?

Nun, man könnte die unpräzise Formulierung dieser Behauptung ausnutzen und ein Stück Papier brav einfach jeden Zentimeter einmal umknicken. Dann schafft man mühelos weit mehr als 7 Faltungen. Aber es geht wohl vielmehr darum, die Faltung so vorzunehmen, dass man das Blatt bei jeder Faltung halbiert. Und dann scheint sich diese Theorie im Selbstversuch schnell zu bewahrheiten.

Schauen wir uns einmal an, was überhaupt bei einer solchen Faltung pasiert. In der folgenden Skizze liegen bereits zwei Lagen Papier übereinander. An der Faltstelle sieht man, dass die Innenseite des Papiers (rot) auf Null zusammengedrückt wurde, die Außenseite des Papiers (blau) sowohl die Dicke der beiden übereinanderliegenden Papierlagen überwinden muss, als auch zusätzlich noch ungefähr die eigene Dicke. Definieren wir die Dicke des Papiers als d, so können wir den Längenunterschied zwischen Innen- und Außenseite grob mit 2d + d abschätzen.

Skizze der ersten Faltung

Bei der nächsten Faltung liegen dann schon 4 Lagen übereinander. Außerdem muss die äußere Faltung in horizontaler Richtung nun 2 Lagen überwinden (obwohl dies, wie gleich zu sehen, ziemlich unwichtig wird). Wir erhalten hier als Abschätzung also analog 4d + 2d.

Skizze der zweiten Faltung

Denkt man sich das nun fort, so wird sich der Koeffizient (die Zahl vor dem d) beim ersten Summanden stets verdoppeln, beim zweiten Summanden kommt jeweils 1 dazu. Wir erhalten also im Anschluss 8d + 3d, 16d + 4d, 32d + 5d, 64d + 6d, …. Das ganze lässt sich natürlich auch als Term in Abhängigkeit der Anzahl der Faltungen n ausdrücken: 2n ⋅ d + n ⋅ d. Während der zweite Summand nur ein bisschen Beiwerk darstellt (darum habe ich mir auch eine genauere Abschätzung geschenkt), wächst der zweite Summand exponentiell. Das heißt, es geht verhältnismäßig sachte los und schießt dann schnell in ungeahnte Höhen.

Konkrete Zahlen gefällig? Nehmen wir ein handelsübliches Papier mit 80 g/m2. Das bringt es in etwa auf eine Dicke von 0,1 mm. Bei 4 Faltungen haben wir etwa 2 mm erreicht, 2 Faltungen später sind es schon 7 mm, bei der nächsten und 7. Faltung erreichen wir 1,35 cm (Achtung, die Einheit hat bereits gewechselt!), bei der 8. schließlich 2,64 cm. Nebenbei: bei der 14. Faltung operieren wir schon im Meterbereich, bei der 24. Faltung haben wir knapp 1,7 km zusammen und nach der 42. Faltung können wir mit unserem Papierstückchen (rein theoretisch) den Mond abstützen.

Dass wir schnell in astronomische Maße abdriften, ist nun klar. Aber warum ist bei jedem Papierstück nun genau beim siebten mal Schluss? Nun, genau das ist der Haken an der Theorie: so genau ist das gar nicht. Beim Falten sind zwei entscheidene Probleme zu überwinden. Zum einen wird der Längenunterschied zwischen Innen- und Außenseite der Faltung, wie wir oben gesehen haben, immer größer. Während die Papierfasern auf der Außenseite maximal gedehnt werden müssen, müssen die Papierfasern im Inneren stark gequetscht werden. Das verbraucht demnach einen ebenso exponentiell wachsenen Kraftaufwand. Und kurz nach dem Menschen gibt auch die kräftigste Maschine auf. Zudem machen viele intuitiv den Fehler und falten abwechselnd längs und quer. Dadurch wird stets an einer Ecke eine bereits bestehende Falz (die unter Spannung steht) noch einmal gefaltet, was den Kraftaufwand unnötig erhöht.

Zudem wird die Fläche des Papierstücks, das noch zum Falten verbleibt, immer kleiner. Nicht nur, dass sich die Fläche bei jeder Faltung halbiert, es geht auch noch exponentiell wachsend an der Falz verloren. Während die Blatthalbierung bald nebensächlich wird, wird kurioserweise der Verlust an der Falz zu dem eigentlichen Problem bei diesem Vorhaben (auch hier ist das exponentielle Wachstum Schuld). Bei einem DIN-A4-Blatt ist bei mechanisch optimierter Faltung (also immer in eine Richtung) bei der 6. Faltung die Restbreite des Papieres kaum viel mehr als die bereits erreichte Dicke, sodass das ganze mehr einer Wurst gleicht denn einer ordentlichen Faltung. Man kann allerdings genau diesen beiden Schwierigkeiten entgegenwirken, um über die sieben Faltungen hinaus zu kommen:

  1. Man verwende ein Papier mit einer besonders losen Faserstruktur. Dadurch lassen sich die Papierfasern beim Falten leichter dehnen und zusammenpressen.

  2. Man nehme ein möglichst dünnes Papier, womit man einen kleinen Startbonus bei der Dicke erhält.

  3. Man wähle ein Papierstück mit möglichst großer Fläche, die sich möglichst nicht auf Länge und Breite gleichmäßig verteilt, sondern überproportinal in eine Richtung, damit man möglichst immer eine Richtung falten kann.

Auch wenn ein Zeitungsbogen die dritte Anforderung nicht optimal erfüllt, kann man damit schon mal mühelos 8 Faltungen hinbekommen. Das nachfolgende Bild zeigt einen Achtfalter hergestellt aus einer noch wesentlich kleineren Zeitungsbeilage.

Eine Zeitungsbeilage mit acht Faltungen

Hat man also nun ein halbwegs dehnfähiges und dünnes Papier gefunden, kommt es letztlich nur noch auf die Größe des Papierstücks an, um noch mehr Faltungen zu erreichen. Die us-amerikanische High-School-Schülerin Britney Gallivan wollte es im Dezember 2001 ganz genau wissen und hat eine Formel aufgestellt, mit der sich bei gleichgerichteter Faltung die Länge l(n) bestimmen lässt, die durch die Falz bei n Faltungen insgesamt verloren geht, wenn das Papier eine Dicke von d aufweist:

l(n) = pi * d * (2^n + 4) * (2^n - 1) : 6

Dies ist damit gleichzeitig die absolute Mindestlänge, die ein Papierstück haben muss, damit beim n-ten Schritt überhaupt noch etwas zum Falten übrig bleibt. Gallivan hat übrigens im Anschluss an ihre theoretische Erarbeitung gezeigt, dass die Formel auch praktisch funktioniert. Dabei faltete sie eine etwa 1 200 m lange Toilettenpapierrolle 12-mal. Wer noch mehr Faltungen ausprobieren möchte: für die nächste Hürde dürften etwa 4 km Toilettenpapier reichen.

Schon in „normalen“ Dimensionen schwankt die Anzahl der möglichen Faltungen also durchaus schon zwischen 6 bis 9 Faltungen. Da die Behauptung jedoch keine Größenangaben des Papierstücks macht, kann man theoretisch beliebig viele Faltungen erreichen, auch wenn es alsbald natürlich unpraktikabel wird. Eine feste Grenze bei 7 (oder auch 8) ist nichtsdestotrotz ziemlicher Humbug.

Quellen